Das Thema Ladungssicherung ist für viele ein Buch mit sieben Siegeln. "Komplex und schlecht zu verstehen", "kaum dokumentiert", "teuere Lehrgänge". Diese und andere Schlagwörter sind mit dem Thema behaftet. Stimmt.

Auch wir haben ein Interesse daran, die Anforderungen an eine optimale Ladungssicherheit zu verstehen. Hier versuchen wir Ihnen eine Basis für weitere eigene Recherchen, basierend auf unseren eigenen, zu bieten.

Warum Ladungssicherung?

Es gibt viele Gründe, warum man seine Ladung gut sichern sollte. Exemplarisch seien folgende genannt:

  • Die eigene Gesundheit - oder wollen Sie von hinten von einem Bagger oder sonstigem Transportgut erschlagen werden?
  • Gesetzliche Vorschriften. Die Strassenverkehrsordnung (StVO §22) definiert ziemlich genau, gegen welche Gefahren das Transportgut zu sichern ist.
  • Der eigene Geldbeutel. Wir möchten nicht mit Ihnen tauschen wollen, sollten Sie jemals mit unzulänglich gesicherter Ladung von der Polizei aufgegriffen werden. Der Spaßfaktor ist kaum zu überbieten - speziell wenn der Bußgeldbescheid kommt. Und: Glauben Sie nicht, die blauen Männlein und Weiblein seien ahnungslos. Dummerweise sind die auch nicht auf den Kopf gefallen und bringen meist das nötige Know-How mit um zumindest ansatzweise beurteilen zu können, ob das, was Sie sich einfallen ließen, so in Ordnung ist oder nicht.

Welche Kräfte wirken?

Um die richtigen Maßnahmen zur Sicherung der Ladung ergreifen zu können, muß man zuerst einmal verstehen, welche Kräfte wann wirken. In diesem Zusammenhang interessieren uns vor allen Dingen zwei Szenarien:

  • Die Vollbremsung
  • Plötzliche Ausweichmanöver

Die oben genannten Situationen sind die Extremsituationen, denen Ihre Sicherungsmaßnahmen standhalten müssen.

Vollbremsung

Jeder hat schon einmal die Erfahrung gemacht, wie es ist, wenn man gezwungen ist eine Vollbremsung hinzulegen: Ob Sie wollen oder nicht, Ihr Körper bewegt sich nach vorne Richtung Windschutzscheibe. Im Idealfall verhindert der Sicherheitsgurt, daß Sie Bekanntschaft mit dieser machen. Umso besser, wenn Ihre Ladung ebenfalls einen "Sicherheitsgurt" hat, der diese davon abhält Sie von hinten zu überholen...

So wie Sie auch, wird Ihre Ladung im Falle einer Vollbremsung ebenfalls nach vorne katapultiert. Die Kraft, die dabei in Richtung Zugfahrzeug entsteht, muß nun durch die von Ihnen angebrachten Gurte oder Ketten so kompensiert werden, dass sich die Ladung nicht nach vorne in Marsch setzen kann, sondern genau dort verbleibt, wo sie ursprünglich platziert wurde. Das Prinzip, nach dem das funktioniert kennen Sie seit Ihrer Kindheit. Es ist wie beim Tauziehen: Stehen sich zwei gleich starke Teams gegenüber, zieht zwar jeder unter Aufbietung seiner größtmöglichen Kraft, jedoch bewegt sich keiner auch nur einen Zentimeter, wenn auf der anderen Seite mit der gleichen Kraft entgegengewirkt wird. Das war's schon zur Ladungssicherung - zumindest fast.

Kräfte und die Richtung in die sie wirken.

Wenn man Kräfte betrachtet muß man sich immer zwei Dinge überlegen:

  • Wie groß ist die Kraft und
  • in welche Richtung wirkt sie?

Um nochmals das Beispiel des Tauziehens zu bemühen: Beide Parteien ziehen exakt in die entgegengesetzte Richtung. Sind also beide Kräfte gleich stark UND wirken in die entgegengesetzte Richtung, so neutralisieren sie sich und nichts bewegt sich. Das ist exakt die Situation, die für die Sicherung der Ladung angestrebt wird.

Hier eine Aufstellung der Kräfte, die auftreten können und die Richtung in die sie wirken:

  • In Fahrtrichtung, also in Richtung Zugfahrzeug: 80% des Ladungsgewichtes
  • Nach rechts, bei Ausweichmanövern: 50% des Ladungsgewichtes
  • Nach links, bei Ausweichmanövern: 50% des Ladungsgewichtes
  • Nach hinten, beim Beschleunigen oder bei Bergauffahrt oder beidem: 50% des Ladungsgewichtes

Die prozentualen Angaben entsprechen den Werten, mit denen diese Kräfte im Verhältnis zum Ladungsgewicht für eine ausreichende Sicherung der Ladung abgefangen werden müssen.

Reibung

Die Reibung hilft Ihnen bei der Ladungssicherung. Angenommen, Sie stellen einen Bagger (mit Gummiketten) auf einen Anhänger, der einen Holzboden hat. Nochmal angenommen, Sie bewegen sich im Winter mit Gummisohlen auf einer Eisoberfläche. Oder mit Gummisohlen auf einer Asphaltoberfläche, beispielsweise beim Sport. Genau, Sie haben es: Jede beschriebene Situation stellt einen anderen, abweichenden Reibungswiderstand dar. Es ist sozusagen die Kraft, die überwunden werden muß, bis sich eine Masse sich bewegt. Für jede Paarung gibt es einen individuellen Wert, den sogenannten Gleitreibbeiwert. Hier die wichtigsten*:

  • Metall auf Holz (Gleitreibbeiwert = 0,2 - dies entspricht 20% Ladungssicherung durch Reibung)
  • Holz auf Holz (Gleitreibbeiwert = 0,3 - dies entspricht 30% Ladungssicherung durch Reibung)
  • Antirutschmatte (Gleitreibbeiwert = 0,6 - dies entspricht 60% Ladungssicherung durch Reibung)
  • Holzeuropalette auf Siebdruckboden (Gleitreibbeiwert = 0,3 - 30% Ladungssicherung durch Reibung)
  • Stahlkiste auf geriffeltem Aluminium (Gleitreibbeiwert = 0,3)
  • Stahlkiste auf Sperrholz (Gleitreibbeiwert = 0,45)
  • Rauer Beton auf Schnittholzlatten (Gleitreibbeiwert = 0,7)
  • Glatter Beton auf Schnittholzlatten (Gleitreibbeiwert = 0,55)
  • Kunststoffpalette auf Stahlblech (Gleitreibbeiwert = 0,15)
  • Kunststoffpalette auf Sperrholz (Gleitreibbeiwert = 0,2)
  • Kunststoffpalette auf Aluminium (Gleitreibbeiwert = 0,15)

*Achtung: Derzeit sind die Bürokraten wieder einmal am Werk und beabsichtigen die vorher erfolgte Lobbyarbeit in Vorschriften zu packen. Skandinavische Bestrebungen im derzeitigen Verfahren möchten gerne den Reibbeiwert für die häufigste Paarung Siebdruckplatten/Holzeuropalette auf 0,5 hochsetzen lassen. Daher sollte man zukünftige Änderungen im Auge behalten.

Den prozentualen Anteil der Ladungssicherung durch Reibung - also sozusagen die "eingebaute Ladungssicherung" - kann man getrost von der Gesamtsumme der zu sichernden Masse abziehen ohne die optimale Sicherung zu gefährden. Voraussetzung ist natürlich, dass die Reibung nicht durch andere Faktoren wiederum begünstigt werden würde - z. B. durch eine mit Fett verunreinigte Ladefläche. Prima, denn dann würde im Falle einer Vollbremsung alles wie geschmiert laufen...

Sicherungsarten

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Ladung zu fixieren. Alle laufen darauf hinaus die ggfs. auftretenden Kräfte zu neutralisieren. Oftmals findet in der Praxis eine Kombination aller Möglichkeiten Anwendung.

Direktzurren

Beim Direktzurren wird die Ladung mit Zurrmitteln so gesichert, daß diese die wirkenden Kräfte direkt aufnehmen und kompensieren. Im Gegensatz zum Niederzurren wird somit nicht nach unten gezurrt, sondern in Gegenrichtung zur entstehenden Kraft.

Niederzurren

Beim Niederzurren wird praktisch durch eine Vielzahl von Gurten versucht über die Erhöhung des Gleitreibbeiwertes die Reibung soweit zu erhöhen, dass alleine über die hohe Reibung ausgeschlossen ist, daß sich das Ladegut verschieben kann. Die Ladung wird durch die Verzurrung nach unten auf die Ladefläche gepresst und somit wird der Druck der Ladung auf den Boden der Ladefläche erhöht. Man spricht in diesem Zusammenhang auch vom Kraftschluss.

Unterscheidung formschlüssig und freistehend

Eine Ladung ist freistehend, wenn sie bspw. mitten auf der Ladefläche steht, ohne Kontakt zum Transportfahrzeug oder Anhänger. Formschlüssig ist eine Ladung dann, wenn Kontakt besteht und zwar in Richtung der Kraft, die neutralisiert werden soll. Dies ist der Fall, wenn hinter der Fahrerkabine einer Pritsche eine Stirnwand auf der Ladefläche angebracht ist. Steht die Ladung direkt hinter der Stirnwand der Fahrerkabine und schliesst an diese an, so ist die Lagerung formschlüssig. Im Extremfall müsste das Ladungsgut die Stirnwand einreißen, bevor sie weiteren Schaden anrichten könnte. Formschlüssigkeit ist auch mit Hilfsmitteln zu erreichen, wenn es erforderlich sein sollte, die Ladung zwecks Lastverteilung in der Mitte der Ladefläche zu platziern. Man kann sich leicht vorstellen, daß man einen weiteren Gegenstand zwischen die Ladewand und das Ladegut platzieren kann. Beide müssen in etwa gleiche Ausmaße aufweisen. Jetzt dient der Hilfsgegenstand als eine Art Platzhalter zwischen Ladewand und Ladegut. Des weiteren werden auch spezielle Luftsäcke eingesetzt um als Abstandshalter zu dienen. Jedem leuchtet sofort ein, dass formschlüssige Ladung besser zu sichern ist als freistehende Ladung.

Beispielrechnung

Wir denken, nun genug Informationen zusammengetragen zu haben um eine erste Beispielrechnung zu konstruieren. Konkret wollen wir dies am Beispiel eines Minibaggers, dessen Gewicht 1590 KG beträgt nachvollziehen. Der Bagger hat Gummiketten, die Ladefläche des Anhängers ist Holz. Wir nehmen einen Gleitreibbeiwert von 0,2 an. [Anmerkung: Dem aufmerksamen Leser ist sicherlich nicht entgangen, dass dies der Wert für Metall auf Holz ist. Der tatsächliche Wert ist höher, aber der Autor möchte Ihnen eine Diskussion mit der Polizei ersparen.] Der Bagger wird freistehend, nicht formschlüssig transportiert. Die Ladung wird per Direktzurren gesichert.

In Fahrtrichtung sichern

Wir benötigen eine Sicherung gegen das Riskio der Vollbremsung, also eine Sicherung, die entgegengesetzt zu der Kraft wirkt, die in Fahrtrichtung auftritt. Wir benutzen hierfür einen Gurt, der hinter dem Bagger in den dafür im Anhänger befindlichen Verzurrösen befestigt wird - mehr zu Verzurrösen und Gurten weiter unten. Sie erinnern sich an das Beispiel mit dem Tauziehen: Die Richtung muß ebenfalls stimmen. Daher wird der Gurt möglichst weit unten um den Bagger geschlungen. Die entgegengesetzte Kraft soll ja in der Richtung der auftretenden Kraft möglichst genau entsprechen. Je größer die Abweichung in der Richtung wird, desto mehr reduziert sich die Gegenkraft. Winkel zwischen 20 - 65° Grad haben sich in der Praxis bewährt. Je kleiner, desto besser.

Wir wissen, der Bagger wiegt 1590 KG. Aus der Aufstellung weiter oben wissen wir ebenfalls, daß 80% des Ladungsgewichtes nach vorne gesichert werden müssen. Des weiteren wissen wir, dass wir bei einem Gleitreibbeiwert von 0,2 nochmals 20% des Ladungsgewichtes in Abzug bringen dürfen. Folglich ist eine Sicherung von 60% des Ladungsgewichtes nach vorne erforderlich. Dies entspricht exakt einer Kraft von 954 daN (1 daN = 1KG).

Das heisst wir benötigen Zurrgurte für die Sicherung nach vorne, die einer maximalen Zugbelastung von 1000 daN standhalten.

Fliehkraft und Beschleunigungskraft

Die Kräfte, die nach hinten abzusichern sind (Beschleunigungskraft) oder die seitlich abzusichernden Kräfte (Fliehkräfte) können Sie sicherlich anhand des oben gemachten Beispiels selbst errechnen und Ihre Ladung dementsprechend sichern.

Zurrgurte

Gurte sind unterschiedlich und verfügen über abweichende Eigenschaften. Die wichtigste ist die zulässige Zugkraft. Hier sehen Sie ein Beispiel für eine Zurrgutkennzeichnung:

Zurrgurtkennzeichnung

 

 

 

 

 

Da die Bezeichner oftmals in Englisch verfasst sind, hier die Bedeutung der Abkürzungen:

  • LC (Lashing Capacity) = die zulässige Zugkraft (maximale Belastbarkeit)
  • STF (Standard Tension Force) = die erreichbare Vorspannkraft (Kraft der Ratsche im geraden Zug)
  • SHF (Standard Hand Force) = die Handkraft am Spannhebel

Die Lashing Capacity ist zweimal zu finden. Zur Erklärung ist die rechts daneben befindliche Zeichnung hilfreich. Die 2500 daN (2500 KG; 1 daN entspricht 1 KG) entsprechen der zulässigen Zugkraft unter geradem Zug. Die 5000 daN entsprechen der zulässigen Zugkraft, wenn der Gurt das Ladungsgut umschlingt (Umreifen).

Bezüglich der Handkraft am Spannhebel sei gesagt, daß diese auch vom Hebel der Ratschenbedienung abhängig ist. Es werden Kurz- und Langratschen unterschieden.

Verzurrösen

An die Verzurrösen werden, wie an die übrige Ausstattung ebenfalls einige Anforderungen gestellt. In erster Linie müssen diese der vorher ermittelten Zugbelastung Paroli bieten können. Einen entsprechend starken Gurt vorausgesetzt, ist es möglich mit einem einzelnen Gurt, der den Bagger umschlingt (umreift) nach vorne abzusichern. Benutzt man dabei 2 Zurrösen für einen Gurt, so muss jede von ihnen für eine maximale Zuglast von 500 daN ausgelegt sein. Sind sie es nicht, so werden sie bei Maximalbeanspruchung aus der Halterung gerissen.

Anmerkung

Das ist ein kleiner Abriss zu einem komplexen Thema. Diese Darstellung erhebt keinesfalls den Anspruch auf Vollständigkeit. Wir hoffen jedoch, Sie für das Thema sensibilisiert zu haben und Ihnen gute Anregungen zu liefern. Vielleicht bewahrt es Sie vor allzu groben Schnitzern bei der Ladungssicherung. Weiter unten bieten wir Ihnen die Möglichkeit weitere Informationen zum Thema einzuholen und Ihr Wissen zu erweitern.

Quellen und Literaturhinweise

Mehrere sehr hilfreiche, gut bebilderte Ratgeber kommen aus der Schweiz vom dortigen Nutzfahrzeugverband und können unter weiter unten angegebenen Quellen heruntergeladen werden. Trotz umfangreicher Recherche im Internet ist der Autor aus offiziellen Quellen in Deutschland nicht fündig geworden. Ein Schelm, wer behauptet, dies hinge mit der Kommerzialisierung der Thematik zusammen. Denn die Alternative ist es ein oder mehrere relativ kostspielige Seminare zu besuchen um einen Überblick bzw. Verständnis zum Thema zu erlangen.

Ebenfalls auffallend ist, daß die Einsicht in die betreffenden Dokumente (Europäische Normen und VDI-Richtlinien) nur gegen saftige Gebühr möglich ist. So hütet beispielsweise der Beuth-Verlag die Normen, die nach Verständnis des Autors in die Kategorie Allgemeingut fallen, wie einen Schatz. Kaum verwunderlich, denn benötigt man z. B. die in diesem Zusammenhang wichtige Europäische Norm mit der Nummer  12195-1, -2 oder -3 aus 2004 respektive 2008, dann wird man freundlich aber bestimmt zur Kasse gebeten. So kostet die EN 12195-1 derzeit 134,- Euro zum Download. Eine Suche in der Datenbank der Europäischen Union verlief ohne Erfolg. Der VDI verlangt für das Handbuch Ladungssicherung 1507,70 Euro. Wenn man bedenkt, was ein Space Shuttle kostet, ist das ein richtiges Schnäppchen...

Downloads

Broschüre Ladungssicherung von www.routiers.ch

Broschüre "Richtig Laden" von www.routiers.ch